Überblick

Gusswerkstoffe

 

Der Begriff Gusswerkstoffe umfasst alle metallischen Werkstoffe, aus denen in der Gießerei-Industrie Gussteile gefertigt werden – unabhängig vom jeweiligen
Basismaterial. Charakteristisch ist zudem, dass das Gussteil endkonturnah ist und ohne Umformen verarbeitet wird.

Die Gusswerkstoffe werden traditionell in zwei Gruppen eingeteilt: die Eisengusswerkstoffe und die Nichteisenmetallgusswerkstoffe. Die Nichteisenmetallgusswerkstoffe werden kurz auch als NE-Metallgusswerkstoffe bezeichnet.

Eisengusswerkstoffe

Bei den Eisengusswerkstoffen wird unterschieden zwischen Stahlguss und Gusseisenwerkstoffen.

 

Stahlguss

Stahlguss ist ein Eisenwerkstoff mit bis zu 2 % Kohlenstoff, der im Gebrauchszustand keine Graphitkristalle enthält. Er hat eine Dichte von 7,85 g/cm³. Insgesamt gibt es mehr als 60 Werkstoffsorten, die in 9 Werkstoffgruppen unterteilt werden. Besondere Vorteile des Stahlgusses liegen in der hohen Plastizität und Zähigkeit. Zudem weist Stahlguss sehr hohe Festigkeiten (bis zu 1250 N/mm²) auf. Für besondere Anwendungen wurden Stahlgusssorten mit speziellen Eigenschaften (Warmfestigkeit, Kaltzähigkeit, Korrosionsbeständigkeit, Hitzebeständigkeit) entwickelt. Stahlguss kommt meist bei Bauteilen zum Einsatz, bei denen hohe Anforderungen an die Festigkeit und die Dehnung gestellt werden.

Problematisch bei der Verarbeitung von Stahlguss sind die große Erstarrungsschrumpfung (Volumenabnahme beim Abkühlen im flüssigen Zustand).
Außerdem ist Stahlguss direkt nach dem Gießen teilweise sehr spröde. Deshalb und wegen der vorhandenen Spannungen wird noch eine Wärmebehandlung durchgeführt. Bezüglich der Werkstoffeigenschaften kann grundsätzlich gesagt werden, dass, je höher der Kohlenstoffgehalt des Stahlgusses ist, desto höher sind auch die Zugfestigkeit und die Streckgrenze. Bruchdehnung, Brucheinschnürung und Kerbschlagzähigkeit nehmen hingegen bei steigendem Kohlenstoffgehalt ab. Je niedriger der Kohlenstoffgehalt ist, desto besser schweißbar ist der Stahlguss. 

 

Gusseisenwerkstoffe

Gusseisenwerkstoffe sind Eisenwerkstoffe mit einem Kohlenstoffgehalt von 2 bis 4 %. Die Dichte liegt bei 7,2 g/cm³. Der Kohlenstoff tritt überwiegend in Form von Graphitkristallen auf, die unterschiedliche Gestalt aufweisen. Daher werden die Gusseisenwerkstoffe unterschieden in Gusseisen mit Lamellengraphit, Gusseiseneisen mit Vermiculargraphit und Gusseisen mit Kugelgraphit. Weiterhin gibt es noch den Temperguss.

 

Gusseisen mit Lamellengraphit

In der Industrie am häufigsten eingesetzt wird Gusseisen mit Lamellengraphit (auch GJL oder früher GG), bei dem der freie Kohlenstoff im Wesentlichen in lamellarer Form vorliegt.

Anwendungsbereiche sind überwiegend der Automobilbau, der Großmotorenbau, der Werkzeugmaschinenbau sowie der allgemeine Maschinenbau. Da das Bruchgefüge und der Guss grau aussehen, wird Gusseisen mit Lamellengraphit auch als Grauguss bezeichnet.

 

Gusseisen mit Kugelgraphit

Beim Gusseisen mit Kugelgraphit (auch GJS oder GGG) ist der Graphit in der metallischen Grundmasse in Form von Kugeln eingebettet. Die kugelige Ausbildung der Graphitform vermeidet die an den Graphitlamellen des Gusseisens mit Lamellengraphit auftretenden Spannungsspitzen. Gusseisen mit Kugelgraphit hat sehr gute Eigenschaften hinsichtlich Festigkeit, Plastizität und Zähigkeit. Aufgrund dieser guten Eigenschaften wird Gusseisen auch als Duktiles Gusseisen bezeichnet.

Gusseisen mit Kugelgraphit ist ein vielseitig verwendbarer Werkstoff. Da das Herstellungsverfahren relativ einfach und kostengünstig ist, werden viele Gussteile, die früher aus Temperguss oder Stahlguss gegossen wurden, mittlerweile aus Gusseisen mit Kugelgraphit gefertigt. Die wichtigsten Anwendungsgebiete für Gusseisen mit Kugelgraphit sind der Automobilbau, der Maschinenbau und der Rohrleitungsbau.

 

NE-Metallgusswerkstoffe

Bei den NE-Metallgusswerkstoffen gibt es Werkstoffe mit unterschiedlichen Basismetallen. Zu den wichtigsten Basismetallen zählen bei den Leichtmetallen
Aluminium und Magnesium sowie bei den Schwermetallen Kupfer und Zink. Darüber hinaus gibt es auch Werkstoffe auf Basis von Titan, Nickel, Cobalt etc. Die
Nichteisenmetalle und ihre Legierungen werden entsprechend ihrer Dichte in Leichtmetalle (bis 5 g/cm³) und Schwermetalle (ab 5 g/cm³) eingeteilt.

 

Aluminium

Aluminium ist das am häufigsten eingesetzte Leichtmetall, was vor allem durch die zunehmende Durchsetzung des Leichtbaus in der Automobilindustrie zu begründen ist. Insgesamt gibt es 8 Werkstoffgruppen mit 37 Werkstoffsorten. Aluminium hat eine Dichte von 2,7 g/cm³. Je nach den speziellen Anforderungen an das Gussteil und die erforderlichen mechanischen Eigenschaften wird das Aluminium mit unterschiedlichen chemischen Elementen legiert. So lassen sich beispielsweise die Gießbarkeit, die Korrosionsbeständigkeit, die Festigkeit oder die Warmfestigkeit verbessern. Darüber hinaus lassen sich die mechanischen Eigenschaften auch durch die Abkühlgeschwindigkeit bei der Erstarrung beeinflussen. Diese hängt direkt vom Gießverfahren ab.

So führen die höheren Abkühlgeschwindigkeiten bei den Kokillen- und Druckgießverfahren zu feineren und damit festeren Gefügen, die geringeren
Abkühlgeschwindigkeiten beim Sandgießverfahren zu gröberen Strukturen mit geringerer Festigkeit. Eine weitere Möglichkeit, die Werkstoffeigenschaften zu
beeinflussen, stellt die Art der Wärmebehandlung dar.

 

Magnesium

Magnesium ist der leichteste technische Konstruktionswerkstoff. Die Magnesiumgusswerkstoffe gliedern sich in 7 Werkstoffgruppen mit 15
Werkstoffsorten. Magnesium hat eine Dichte von lediglich 1,74 g/cm³ und ist somit ein Drittel leichter als Aluminium. Es wird insbesondere im Wettbewerb zu
Kunststoffen für Bauteile eingesetzt, bei denen Stabilität und Leichtgewichtigkeit gefragt sind. Aufgrund der Tatsache, dass Magnesium im Druckgießverfahren sehr großflächig und dünnwandig gegossen werden kann, werden bisher aus Blech gefertigte Teile (z.B. Heckklappen oder Türinnenteile) mittlerweile durch dünnwandige Gussteile ersetzt. Im Sandgießverfahren sind Magnesiumlegierungen hingegen aufgrund der hohen Affinität des Magnesiums zum Sauerstoff und der damit verbundenen Oxidbildung schwierig zu vergießen. Wie auch beim Aluminiumguss sind die Werkstoffeigenschaften von der Abkühlgeschwindigkeit und somit direkt vom Gießverfahren abhängig.

 

Schwermetalllegierungen

Der Einsatz von Schwermetalllegierungen erfolgt überwiegend im Haustechnikbereich und in der Schiffindustrie. So verfügen Kupfergusswerkstoffe über sehr vorteilhafte Eigenschaften wie z.B. hohe elektrische Leitfähigkeit, hohe Wärmeleitfähigkeit, hohe Korrosionsbeständigkeit und gute Gleiteigenschaften bei hoher Festigkeit, Plastizität und Zähigkeit.

Zinkgusslegierungen eignen sich besonders gut als hochwirksame Abschirmstoffe gegen elektromagnetische Interferenzen, vor denen empfindliche Geräte geschützt werden müssen. Zudem können Druckgussteile aus Zinkdruckgusslegierungen mit sehr hoher Genauigkeit gefertigt werden, sodass eine spangebende Nachbearbeitung nicht notwendig ist.